Schon mal etwas von Renaturierung gehört?

Achtung, dieser Post ist bereits aus dem Jahr 2018. Einige Informationen könnten veraltet sein.
Jeden Tag werden in Österreich um die 15 Hektar zu Siedlungs- und Verkehrszwecken versiegelt. In Gebieten mit starkem Waldanteil dehnt sich der Wald auf Kosten extensiv genutzter Flächen wie Wiesen oder Almen aus. Landwirtschaftlich genutzte Flächen in Gunstlagen werden immer intensiver bewirtschaftet. Diese Entwicklung führt zum Verschwinden vieler Arten und Lebensräume. Ist Renaturierung die Lösung des Problems?

Ein natürlicher Flusslauf mit Mäandrierung, Seitenarmen und Aubereichen puffert Hochwasser ab (Foto: Pixabay, fietzfotos)

Was bedeutet Renaturierung?

Renaturierung bezeichnet die Wiederherstellung von naturnahen Lebensräumen nach Veränderung des Bodens, des Wasserhaushalts und der Artenzusammensetzung. Dazu gehören Moorregeneration, Flussrevitalisierung, Wiedereinbürgerung von Arten oder Artengruppen und Wiederbegrünung. Uns muss jedoch klar sein: Sobald ein Lebensraum grundlegend zerstört wurde, kann er nie wieder in seinen natürlichen Ursprungszustand zurückgeführt werden. Daher wird auch oft der Begriff Restauration verwendet.

Was sind die grundlegenden Ziele bei der Renaturierung von Lebensräumen?

  • Standorttypischen Arten siedeln sich wieder an
  • Die natürliche Dynamik des Systems kehrt zurück
  • Passende Nutzungsformen und Pflegemaßnahmen sind etabliert (wenn die natürliche Dynamik nicht in die Wege geleitet werden kann)

Warum ist Renaturierung wichtig für den Naturschutz und die Artenvielfalt?

Natürliche und naturnahe Landschaften sind meist artenreicher und dadurch nicht so anfällig für unvorhersehbare Veränderungen in der Umwelt wie Klimawandel oder Umweltkatastrophen. Andererseits dienen sie als Puffer für Katastrophen wie Hochwasser und Lawinen. Außerdem sind naturnahe Lebensräume gute Kohlenstoffspeicher. Moore binden sogar atmosphärischen Kohlenstoff und entfernen so laufend das viel gefürchtete Treibhausgas CO₂.

Manche Lebensräume sind bereits extrem selten und um sie vor der völligen Auslöschung zu bewahren, muss ein ausgedehntes Netz dieser Lebensräume wiederhergestellt werden. Dazu gehören unter anderem Moore, Au- und Flusslandschaften, Trockenrasen und Feuchtwiesen.

Der Osterluzeifalter gehört zu den hoch spezialisierten Arten. Seine Raupe ernährt sich ausschließlich vom Gewöhnlichen Osterluzei. Solch vulnerable Arten sind auf Naturschutzmaßnahmen wie Renaturierung besonders angewiesen. (Foto: Pixabay, Timelynx)

Flussrückbau an der Donau

Die Donau war einst im Wiener Becken ein riesiges Netz an Alt- und Nebenarmen bevor sie in den 1870ern zu einem geraden Hauptstrom zusammengelegt wurde. Dabei wurde viel Bau- und Ackerland gewonnen aber gleichzeitig ist viel Naturraum verloren gegangen. Zusätzlich wurde später die natürliche Überschwemmungsdynamik der Auen durch den Bau von Dämmen abgestellt. Der Blockwurf an den Ufern hindert den Fluss am Mäandrieren.

Heute kämpft man mit einer Vertiefung des Flussbetts durch die starke Strömungsgeschwindigkeit und verheerenden Überschwemmungen durch mangelnde Retentionszonen.

In Renaturierungsprojekten wird der Blockwurf entfernt, um wieder eine halbwegs naturnahe Uferdynamik zu ermöglichen, das Hochwasser darf stellenweise wieder kontrolliert durch neue Schleusen in Aubereiche hinter Dämme fließen und stillgelegte Seitenarme werden wieder an den Fluss angeschlossen. Besonders Arten, die Schotterbänke oder langsam fließendes Wasser benötigen, finden so wieder einen Lebensraum an der Donau.

Stehende Altarme gehören auch zu einem intakten Flusslauf. Viele waren jedoch langsam und zeitweise durchflossene Seitenarme die künstlich vom Fluss abgeschnitten wurden. (Foto: Pixabay, LubosHouska)

Wo sind alle Moore hin?

Moore gelten in der Kulturlandschaft in erster Linie als unpraktisch, da sie nicht genutzt werden können. Sie wurden und werden daher drainagiert und/oder der Torf wird gestochen und abtransportiert.

Moore sind allerdings Lebensräume mit sehr speziellen strukturellen und hydrologischen Bedingungen, die viele genau darauf spezialisierte Arten beherbergen. Zudem speichern sie laufend eine Menge Kohlenstoff in Form von Torf und zwar schon seit 15.000 Jahren. Durch die Entwässerung von Mooren werden aus den Kohlenstoffspeichern Kohlenstoffquellen!

Um der Entwässerung von Mooren entgegenzuwirken, werden die Drainagekanäle mit Dämmen versehen. In Mooren, bei denen bereits eine drastische Abnahme des Torfes zu beobachten ist, kann nur durch die Wiederherstellung des ursprünglichen Wasserspiegels der weitere Torfabbau gestoppt werden. Das Torfwachstum eines gesunden Moores ist in solchen Fällen in absehbarer Zeit allerdings nicht mehr zu erwarten.

Weltweit gesehen enthält Torf etwa 1/3 des gesamten in Böden gespeicherten Kohlenstoffs. Dabei nehmen Moore nur 3% der Landoberfläche ein. (Foto: Pixabay, herbert2512)

Ausbau der Infrastruktur

Beim Bau von neuen Straßen und Bahnrouten wird die Landschaft meist stark verändert. Entlang der Verkehrswege, aber auch auf Flächen, die an die Lagerung der Baumaterialien und Maschinen angepasst werden.

Gerade bei solchen Flächen ist es wichtig Lebensräume zu schaffen, die in dieser Landschaft natürlich vorkommen könnten, indem mit lokalen Arten bepflanzt wird, anstatt einer Mischung standortfremder Nutz- und Zierpflanzen auszubringen.

Zusätzlich gibt es gesetzliche Regelungen, die bei sehr großen Bauvorhaben die Einrichtung von sogenannten Ausgleichsflächen vorschreiben. Bei den Ausgleichsflächen handelt es sich in der Regel auch um Restaurationsprojekte, wie zum Beispiel die Erstellung eines Lebensraums für eine gefährdete Art an geeigneter Stelle.

Die eigentliche Fläche der Straße nimmt nur einen Bruchteil der durch den Bau verwüsteten Fläche ein. (Foto: Pixabay, MemoryCatcher)

Zusammenfassend

Renaturierungsmaßnahmen gehören sicherlich zu den teuersten Naturschutzinstrumenten. Besser wäre es natürlich, es nie so weit kommen zu lassen. Leider ist es in vielen Fällen bereits zu spät und in anderen mit unseren Ansprüchen nicht vereinbar. Um die eingangs gestellte Frage zu beantworten: Nein, Renaturierung allein kann in dem derzeit betriebenen Ausmaß nicht das Artensterben aufhalten, aber sie ist eine wichtige Ergänzung zu allen anderen naturschutzfachlichen Maßnahmen.

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Ein Artikel von Barbara
veröffentlicht am 17.07.2018
Leidenschaftliche Naturliebhaberin und Erträumerin eines nachhaltigen gesellschaftlichen Wandels. Beim Ethik.Guide als Obfrau, Blogkoordinatorin, -autorin und Autorin des Newsletters aktiv.
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