Braucht’s Fleisch, um ein echter Mann zu sein?

Achtung, dieser Post ist bereits aus dem Jahr 2016. Einige Informationen könnten veraltet sein.
Wann ist ein Mann ein Mann? Ist es ein Klischee, dass Veggie-Männer unsexy sind? Wir möchten uns den Weltmännertag am 19. November zum Anlass nehmen, um das Thema Veganismus/Vegetarismus bei Männern näher zu beleuchten. Warum ist es für Männer gesellschaftlich weniger anerkannt, sich fleischlos zu ernähren? Mit welchen Vorurteilen werden vegetarische und vegane Männer konfrontiert? Wir bieten euch einen Einblick in diese spannende Diskussion.

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In Österreich leben laut IFES-Studie ca. 9 % der Bevölkerung vegetarisch (das sind ca. 760.000 Menschen) und ca. 1 % vegan (ca. 80.000). Der Großteil der VegetarierInnen und VeganerInnen sind Frauen. Die Vorstellung, dass Männer eher Fleischtiger sind als Frauen, ist nicht reines Vorurteil, sondern wurde von verschiedenen Studien belegt. Es leben circa doppelt so viele Frauen vegan wie Männer. Doch woran liegt dieser deutliche Unterschied zwischen den Geschlechtern? Was unterscheidet vegetarische/vegane Männer von vegetarischen/veganen Frauen?

Vorurteile

Die Studie “Meat, Morals, and Masculinity” von der University of British Columbia hat untersucht, wie Menschen auf omnivore und vegetarische Ernährung bei anderen Menschen reagieren. In zwei Fallstudien wurden die Vegetarier als “tugendhafter” aber auch als “weniger männlich” bewertet. Zu dieser Bewertung trägt teilweise auch das Vorurteil bei, dass Veganer und Vegetarier (vor allem Männer) ungesünder, blasser und weniger fit seien.

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© Philipp Wiebe, pixelio.de

Unmännlich ohne Fleisch?

Carol J. Adams, eine führende Ökofeministin und Tierrechtsaktivistin aus den USA hat schon 1990 ein Buch dazu geschrieben: The Sexual Politics of Meat: A Feminist-Vegetarian Critical Theory. Obwohl sie darin eher auf Vegetarismus eingeht, legt sie doch die Zusammenhänge zwischen (stereotypen) Geschlechterrollen und Essverhalten offen. Gleichzeitig zeigt Adams auf, inwieweit die Unterdrückung von Frauen und nicht-menschlichen Tieren sehr ähnlich verlaufen ist. Adams erklärt auch, dass viele Menschen das groteske Bild im Kopf haben, dass Männer Fleisch essen müssen, um männlich und „lebensstrotzend“ zu sein. Um die Vorurteile gegen Vegetarismus und Veganismus bei Männern zu ändern, ist es laut Adams notwendig den Diskurs darüber und insbesondere Essen zu ändern. Außerdem ist es dringend notwendig, eine Ethik des Mitgefühls und der Fürsorge zu fördern.

Mann vs. Frau vs. Umwelt

Aber nicht nur das Ernährungsverhalten unterscheidet sich zwischen Männern und Frauen. Frauen sind grundsätzlich umweltbewusster und setzen mehr umweltfreundliche Praktiken in ihrem Leben um. Zum Beispiel bringen sie öfter eine Stofftasche für dein Einkauf mit, fahren ein kleineres (oder kein) Auto und ernähren sich eben vegetarisch oder vegan. Aufgrund dieser doch sehr unterschiedlichen Lebensweise, tragen Männer mehr zum Ausstoß von Treibhausgasen, die wiederum das Klima anheizen, bei. Das liegt oft vor allem daran, dass eine grüne Lebensweise als unmännlich betrachtet wird. Anstatt Maskulinität für Umweltschutz einzusetzen, wird dieser leider immer noch negativ als feminin betrachtet, was uns, der Erde und den Tieren großen Schaden zufügt.

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© Wikimedia, Victor Korniyenko, CC BY-SA 3.0

Jung, Männlich, Vegan

Ein weiterer, spannender Beitrag zu dieser Diskussion wurde 2013 von Sabine Weick mit ihrem Buch Jung, Männlich, Vegan geleistet. In dieser Studie beschreibt Sabine Weick Veganismus als (männlichen) Lebensstil und zeigt auf, dass die Motivation sich vegan zu ernähren sehr unterschiedlich sein kann. Wir sind auch alle stark geprägt von unserer Erziehung und der Esskultur, in der wir leben. Die Umstellung auf eine vegetarischen/vegane Ernährung wird dann häufig als Protest gesehen – gegen das Gewohnte, gegen die Gesellschaft, gegen Tierleid. Sabine Weick beschreibt weiters wie aus dieser Essmoral eine tiefgreifende Moralvorstellung werden kann, bei der letztendlich vegane Ernährung zum Lebensstil wird.

In einem kurzen Interview hat uns Sabine Weick erklärt, was die wichtigsten Ergebnisse ihrer Forschung sind und welche Männer vegan werden:

Warum haben Sie sich gerade mit diesem Thema so intensiv auseinander gesetzt?

Ich ernähre mich selbst schon seit mehr als acht Jahren vegan, deshalb war meine Forschung sehr stark von persönlichem Interesse motiviert. Ich war mir auch der bekannten Unterschiede im Essverhalten zwischen Männern und Frauen bewusst: Männer bekommen das große, „männliche“ Fleischstück und Frauen sollen sich ihrer Figur zuliebe ein bisschen zurückhalten. Dieses Verhalten wird in Europa sehr stark von unserer Kultur, aber auch unserer Erziehung geprägt, in der Fleischkonsum und Essverhalten oft ein Statussymbol einnehmen.

Pixabay.com

Veganer Genuss

Was war das überraschendste Ergebnis in der Studie zu veganer Ernährung bei Männern?

Es war überraschend, dass es kein eindeutiges Ergebnis auf die Frage gibt, welcher Typ Mann denn nun eher vegan werde. Meine Interviewpartner kamen aus sehr verschiedenen Kreisen: Die einen genossen eine strengere, die anderen eine liberalere Erziehung. Manche wuchsen auf dem Land auf, die anderen in der Stadt. Die Entscheidung, auf eine vegane Ernährung umzusteigen, fällt oft in Zeiten des Umbruchs, zum Beispiel nachdem Männer das erste Mal von zu Hause ausziehen, vom Jugendlichem zum Mann werden. Die Motivationen für Veganismus sind hingegen sehr ähnlich: Ethik, Tierschutz und -rechte und Umwelt.

Was kann man bei der Entwicklung dieser Thematik in den letzten Jahren beobachten?

Mittlerweile ist auch eine starke Veränderung hinsichtlich der Beweggründe feststellbar: Wo früher Tierschutz noch die Hauptmotivation war, sich vegan zu ernähren, nehmen mittlerweile gesundheitliche und ästhetische Gründe immer mehr zu.

Prominente vegane Männer

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Usher © Wikimedia, Ames Friedman, CC BY-SA 3.0

Prominente vegetarische und vegane Männer und verschiedene Kampagnen haben in den letzten Jahren immer wieder dazu beigetragen, dass sich stereotype Vorstellungen ändern und dass Fleischverzehr nicht unbedingt mit Männlichkeit verbunden sein muss. Bill Clinton ist zum Beispiel aus gesundheitlichen Gründen Veganer geworden, Mike Tyson – ja, der Boxer – ist ein prominenter Veganer, ebenso wie Christoph Maria Herbst, Joaquin Phoenix und Usher.

Mittlerweile sind auch soziale Medien ein wichtiger Multiplikator für vegane Lebensweise, zum Beispiel auch Karl Ess. Ess ist ein bekannter Fitness-Youtuber und Personal Trainer, der 750.000 Facebook Fans hat. Ein anderer bekannter Vegetarier, der US-amerikanische Schriftsteller Jonathan Safran Foer, hat ebenfalls ein Buch zu dem Thema geschrieben: Tiere Essen (engl. Eating Animals). In seinem Buch beschreibt er, wie er endgültig Vegetarier geworden ist, nachdem er Vater wurde und er sich sehr stark mit diesen ethischen, tierrechtlichen und ökologischen Fragen auseinander gesetzt hat.

Ein Umbruch

Mittlerweile ist trotzdem eindeutig, dass sich immer mehr Männer vegetarisch und vegan ernähren und dass die statistische Differenz zwischen Männern und Frauen immer geringer wird. Es findet ein Umbruch in unserer Gesellschaft und Kultur statt, der auch alternative Rollenbilder bietet – für Frauen und Männer. Außerdem ist in Zeiten der sozialen Medien ein Austausch mit Gleichgesinnten einfacher, und dieses Gefühl von Gemeinschaft und ein unterstützendes Umfeld wirkt sich sehr positiv auf das vegane Selbstbewusstsein von Männern aus.

Buchtipps zum Thema

Musiktipp

Morrissey thematisiert das auch in seinem grandiosen Song „I’m not a man“. Die letzte Strophe lautet:

I’m not a man
I’d never kill or eat an animal
And I never would destroy this planet I’m on
Well, what do you think I am?
A man?

(für Eilige: richtig los geht’s bei Minute 1:30)

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Ein Artikel von Yvonne
veröffentlicht am 18.11.2016
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